Der lange Weg zur Exzellenz

Artikel vom 10. September 2018
QM-Beratung

Neben innovativen Produkten gehören hoch effiziente Prozesse und eine widerspruchsfreie Führung dazu, um ein mittelständisches Unternehmen an die Spitze des Weltmarkts zu führen. Bei dem Werkzeugmaschinen- und Laserhersteller Trumpf hat dazu das unternehmensweite System mit dem Namen Synchro einen wichtigen Teil beigetragen. Über das hauseigene Lean-Managementsystem von Trumpf berichtet Florian Guber im Gespräch mit Verlagsleiter Michael Rohn. Guber ist Mit-Autor des Fachbuchs „Synchro. Das Buch – Der lange Weg zur Exzellenz bei Trumpf“.

Florian Guber, Trumpf

? Können Sie die Antwort in einem Satz packen: Was ist Synchro?

Guber: Synchro ist ein Wertschöpfungssystem. Es beschreibt unser Verständnis, wie wir Prozesse, Führung und Organisation bestmöglich auf unsere Kundenanforderungen ausrichten.

? Stichwort Umsetzung: Wie bringen Unternehmen schnell PS auf die Straße?

Guber: Wenn ich eines gelernt habe, dann das – es geht darum, eine schnelle, pragmatische, provisorische Lösung zu finden. Wenn Sie sich auf die Suche nach der perfekten Lösung machen, reicht alle Zeit der Welt nicht. Ein Beispiel. Sie wollen das perfekte Betriebsmittel haben. Also lassen Sie es zeichnen, ausschreiben und dann über den Einkauf beschaffen. Lange Planungszyklen und der Wunsch nach einer perfekten Lösung sind der Tod. Der vielversprechendere Ansatz lautet, die Idee von heute gleich morgen zu 80 Prozent umzusetzen und anschließend Stück für Stück weiterzuentwickeln. Dafür genügen Klebeband, Kabelbinder, Pappkartons und Profilmaterial völlig. Die Suche nach der perfekten Lösung lähmt den Umsetzungsprozess ungemein, davon kann ich nur abraten.

? Wir befinden uns mitten in der digitalen Transformation. Sind Lean Management und Industrie 4.0 das Dream-Team?

Guber: Das ist abhängig davon, wie Industrie 4.0 interpretiert wird. Bei Synchro geht es darum, den Prozess so zu gestalten, dass er Transparenz von alleine erzeugt. Das bedeutet, dass eine Abweichung sofort und am besten mit bloßem Auge zu erkennen ist. Ansätze zu Industrie 4.0 lassen den Prozess häufig so, wie er ist bzw. akzeptieren sogar seine Undurchsichtigkeit. Oftmals wird versucht, die Transparenz mit Hilfe teurer und aufwändiger IT-Lösungen herzustellen. Bei Trumpf haben wir erkannt, dass exzellente und schlanke Prozesse eine zwingende Voraussetzung für wirksame Lösungen im Umfeld von Industrie 4.0 sind. Insofern gilt für die Digitalisierung die alte Formel: Poor processes + new technology = expensive poor processes. Auf Deutsch: Schlechte Prozesse plus neue Technologie ergeben teure schlechte Prozesse. Dann wird Verschwendung automatisiert anstatt eliminiert.

? Was zeichnet exzellente Führung aus?

Guber: Das Schlüsselwort ist für mich Verantwortung. Verantwortungsübernahme beschreibt ein asymmetrisches Verhältnis. Ein Teil von Verantwortungsübername ist die Kompensation von Defiziten. Das alleine reicht jedoch nicht aus. Echte Verantwortungsübernahme bedingt, dass die Führungskraft versucht, dieses Defizit zu entwickeln und nicht dauerhaft zu kompensieren. Im Kern geht es darum, dass eine Führungskraft in der Lage ist, Mitarbeiter zu befähigen. Dabei dürfen die eigenen Fähigkeiten der Führungskraft nicht der limitierende Faktor sein. Ich habe Führungskräfte kennengelernt, die neben sich niemanden besser werden lassen wollten als sie selber. Exzellente Führung hingegen bedeutet: Eine Führungskraft ist frei von der Angst, dass ein Mitarbeiter im Zweifel besser wird als sie selbst, auch auf die Gefahr hin, dass man sich stellenweise überflüssig macht. Die Aufgabe heißt: Die Talente des Mitarbeiters erkennen und zulassen, dass eine Lösung des Mitarbeiters eventuell besser ist als die, die die Führungskraft bereits im Kopf hatte. Viele Führungskräfte sind verliebt in die eigene Lösung.

? Stichwort Fehlerkultur: Müssen Mitarbeiter Fehler machen dürfen?

Guber: Sie müssen Fehler machen dürfen. Wenn man sich richtig erfolgreiche Menschen ansieht, dann ist es ein Irrglaube, dass bei ihnen immer alles geklappt hat. Ganz im Gegenteil: Vieles hat nicht auf Anhieb funktioniert. Wie geht man damit um, wenn etwas nicht funktioniert? Wenn man mutig und kreativ ist, steigt die Anzahl der Fehlversuche.

Synchro zielt darauf ab, ein System so aufzustellen, dass es die Anforderungen der Kunden möglichst effektiv erfüllt und dabei den Mitteleinsatz möglichst effizient gestaltet. Um das System kontinuierlich in Richtung dieses Anspruchs entwickeln zu können, müssen Abweichungen sichtbar gemacht werden. Das Stichwort heißt Transparenz. Allerdings gibt es Mitarbeiter, die mit dem Thema Transparenz Schwierigkeiten haben. Sie sagen dann: Jetzt sieht ja jeder, was ich mache. Sofort gehen die Alarmglocken an. Warum? Weil viele Mitarbeiter Führungssysteme gewohnt sind, die sanktionieren und bestrafen. Ein System aufbauen zu wollen, das Transparenz und Abweichungen zeigt, gleichzeitig aber eine Schuldzuweisungskultur pflegen – das wird nicht funktionieren.

? Stichwort Reißleine: Bei Toyota ist es für einfache Mitarbeiter nicht so einfach, einen Stillstand des Bandes herbeizuführen. Wie handhaben Sie das bei Trumpf?

Guber: In unserem Buch haben wir diesen Punkt nicht als Ist-, sondern als Zielzustand beschrieben. Vorbildcharakter hat unser Werk in Grüsch in der Schweiz, denn dort ist das Thema Reißleine sehr gut umgesetzt. Dort arbeiten die Monteure im 2,3-Stunden-Takt. In dieser vorgegebenen Zeit muss der Arbeitsinhalt geleistet werden. Erkennt ein Monteur, dass ein Problem auftaucht und der Arbeitsinhalt nicht in der vorgegebenen Zeit zu bewältigen ist, drückt er auf einen Knopf, der an die Telefonleitung angeschlossen ist und ruft automatisch den Teamleiter an. Geht der Teamleiter nach ein paar Mal Klingeln nicht ans Telefon, wird automatisch an dessen Vorgesetzten weitergeschaltet. Das kann bis zum Geschäftsführer des Standorts gehen. Mit anderen Worten: Der Mitarbeiter hält die Linie nicht an, aber er drückt auf Gelb. Der hinzugerufene Teamleiter entscheidet, ob das Problem innerhalb des Takts zu lösen ist oder nicht. Ist das nicht möglich, drückt er auf Rot und hält das Band an. Dieses Prinzip wird in den anderen Werken in dieser Konsequenz noch nicht umgesetzt.

? Was würden Sie heute anders machen, wenn Sie auf der grünen Wiese starten könnten?

Guber: Wir hatten beispielsweise den Fehler gemacht, Synchro eins zu eins auf indirekte Prozesse übertragen zu wollen. Das hat solche Blüten getrieben, dass auf den Schreibtischen nur jeweils ein einziger Stift in einer bestimmten Farbe liegen durfte – dabei hatten wir die Prozesssicht leider völlig aus den Augen verloren. Mit den Resultaten dieser Vorgehensweise haben wir, rückblickend betrachtet, bis heute in unseren Workshops und Seminaren zu kämpfen. 

 

 

SYNCHRO. Das Buch

Der lange Weg zur Exzellenz bei Trumpf

Von Mathias Kammüller und Florian Guber

167 Seiten, 37 Abbildungen
ISBN 978-3-932298-68-4
Preis: 49 €

 

 


Der lange Weg an die Spitze
Wie wird ein mittelständisches Unternehmen zum Weltmarktführer? Neben innovativen Produkten gehören dazu hoch effiziente Prozesse und eine konsistente Führung, vereinigt in einem unternehmensweiten System. Bei der Trumpf GmbH + Co. KG aus Ditzingen heißt dieses System Synchro.

Das Ziel lautet, dass alle Kräfte darauf ausgerichtet sein müssen, das Unternehmen in Bewegung zu bringen, in Richtung Spitzenleistung.

Begonnen hat die Arbeit vor genau 20 Jahren mit den Methoden der schlanken Produktion (Lean Production). In dem Buch wird die Geschichte einer Transformation erzählt. Von den dramatischen Anfängen inmitten einer weltweiten Krise bis zu den bahnbrechenden Erfolgen der Gegenwart. Mit einem optimistischen Blick in die Zukunft: Synchro schafft die Rahmenbedingungen für eine kontinuierliche Veränderung und Verbesserung des Unternehmens. Diese Fähigkeiten sind in Zeiten von Digitalisierung und Industrie 4.0 wichtiger denn je.

 

 

Zu den Autoren des Buchs

Dr.-Ing. Mathias Kammüller ist seit 1993 Mitglied der Trumpf-Geschäftsführung. Im Juli 2000 wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung der Trumpf Werkzeugmaschinen GmbH + Co. KG. Seit 2001 ist er geschäftsführender Gesellschafter und seit 2017 Chief Digital Officer (CDO) der Trumpf GmbH + Co. KG.

Florian Guber leitete bei der Trumpf GmbH + Co. KG von 2013 bis Ende 2017 die Synchro Consulting, die als interne Beratung mit etwa 20 Beratern für die Umsetzung und Weiterentwicklung von Synchro verantwortlich ist. Seit Anfang des Jahres ist er bei der TRUMPF Laser GmbH in Schramberg.

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