Homeoffice ist kein Allheilmittel

Artikel vom 9. April 2020
Sonstige Dienstleistungen

Über Nacht im Homeoffice: Ist das der ideale Zustand für die Zukunft? Die Erwartungen sind derzeit hoch, die Lernkurve steil. Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass die Arbeit von zuhause aus nicht das Idealbild des Arbeitsmodells sein kann, wie Dr. Andrea Hammermann berichtet. Sie arbeitet als Senior Economist für Arbeitsbedingungen und Personalpolitik beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Homeoffice ist bereits gelebter Arbeitsalltag. Doch die technische Ausstattung ist nur eine Seite, damit die dezentrale Arbeitsorganisation funktioniert. Foto: iStock

Die Corona-Pandemie verlangt Arbeitgebern und Arbeitnehmern viel ab: Die einen müssen IT-Infrastruktur bereitstellen, Konferenzen, Meetings und Geschäftsreisen digital ersetzen sowie ihre Mitarbeiter an das Unternehmen und alle Arbeitsprozesse in Rekordzeit andocken, unabhängig vom Arbeitsort. Die anderen müssen sich an die neue Arbeitswelt anpassen und ihr Privat- und Berufsleben miteinander in Einklang bringen. Die Erwartungen an das Homeoffice sind seit jeher groß: Es soll Familie und Beruf verbinden, motivieren und leistungsfähiger machen. Die aktuelle Situation zeigt, dass das Modell Homeoffice an seine Grenzen stößt – und eben nicht das Idealbild modernen Arbeitens ist, für das es viele halten.

Die wichtigsten Gründe

Viele Tätigkeiten können auch künftig nicht von zuhause aus erledigt werden. Die effektive Ausübung vieler Jobs ist an einen bestimmten Ort gebunden. Arzthelfer und Automechaniker müssen für ihre Arbeit in Praxis und Werkstatt arbeiten. Andere Jobs müssen bei Kunden erfolgen, beispielsweise Bauarbeiten. Daran ändern auch digitale Technologien nichts.

Dr. Andrea Hammermann, Senior Economist für Arbeitsbedingungen und Personalpolitik, Institut der deutschen Wirtschaft. Foto: IW

Störungsfreies Arbeiten ist nicht überall möglich. Aktuell machen viele Beschäftige nicht nur positive Erfahrungen mit dem Homeoffice. Grundvoraussetzung für die Arbeit von zuhause aus ist, dass sie störungsfrei möglich ist. Wer neben der Arbeit Kinder betreuen muss, erlebt Schwierigkeiten. Hinzu kommt: Nicht jeder Arbeitnehmer verfügt zuhause über einen schnellen Internetanschluss und ideale IT-Infrastruktur.

Nicht jeder will ins Homeoffice gehen. In der Vergangenheit haben sich viele Beschäftigte gegen Homeoffice ausgesprochen, selbst wenn sie die Möglichkeit dazu hatten. Etwa jeder zweite Arbeitnehmer wünscht sich eher eine klare zeitliche und räumliche Trennung von Beruf und Privatleben – bei der Arbeit zuhause drohen die Grenzen zu verschwimmen.

Es fehlen klare Regeln. Das Arbeiten im Homeoffice stellt neue Anforderungen an die eigene Arbeitsgestaltung, insbesondere an die Erreichbarkeit. Abstimmungsprozesse in Teams und mit dem Vorgesetzten sind notwendig, um adäquate Reaktionszeiten ebenso wie Erholungs- und Freizeitphasen zu gewährleisten. Voraussetzungen hierfür sind eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und klar formulierte Erwartungshaltungen.

Während Anfang des Jahres noch über ein Recht auf Homeoffice in der Politik diskutiert wurde, offenbaren sich in der aktuellen Situation nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen des dezentralen Arbeitens. Umso wichtiger ist die Erkenntnis, dass nur unter bestimmten betrieblichen und individuellen Voraussetzungen Homeoffice eine Alternative zur Anwesenheit im Betrieb sein kann – und auch längst nicht für jeden.

ZUR STUDIE

 

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