Kriechverhalten von Polymeren
zerstörende Werkstoffprüfung
Strukturveränderungen von Werkstoffen aufgrund hoher mechanischer und thermischer Belastungen können auf Dauer zu einem kompletten Ausfall des Bauteils führen. Speziell unter langanhaltender, statischer Belastung bei erhöhten Temperaturen verhalten sich Werkstoffe anders als bei gleicher Belastung unter Raumtemperatur.
So kommt es neben der elastischen Dehnung zu einer irreversiblen, plastischen Dehnung. Dieser Effekt bei einer Beanspruchung unter hohen Temperaturen lässt sich zwar durch gezielte Materialzusammensetzungen verringern, aber nicht verhindern. Bauteile unter Kriechbedingungen haben daher grundsätzlich eine begrenzte Lebensdauer. Umso wichtiger ist eine umfangreiche und systematische Langzeituntersuchung. Ziel ist die Ermittlung der sogenannten Restlebensdauer von Bauteilen, damit diese zuverlässig ihren Dienst verrichten. Das gilt sowohl für Metalle als auch für Kunststoffe.
Um die maximale Betriebsdauer eines Bauteils zu ermitteln, sind systematische Versuche zum Kriechverhalten notwendig. Zur Prüfung des Langzeitkriechverhaltens von Polyethylen setzt die unabhängige staatliche Versuchsanstalt (TGM) in Wien auf eine Kappa Multistation von Zwickroell. Sie wurde speziell für Zeitstandversuche von Kunststoffen und Polymerwerkstoffen in modernen Entwicklungs- und Versuchslaboren entwickelt.
Die Prüfmaschine ermöglicht eine umfassende Bauteilqualifizierung. Der größte Fachbereich der TGM ist die Kunststoff- und Umwelttechnik. Sie prüft unter anderem die Temperaturbeständigkeit und das Langzeitwerkstoffverhalten von Produkten aus Polyethylen, zum Beispiel von Kunststoffrohrsystemen und Deponiekomponenten.
Die Kriechkurve
Die Bestimmung des Kriechverhaltens von Werkstoffen erfolgt üblicherweise durch Zeitstandversuche. Im einfachsten Fall wird dabei eine Probe bei erhöhter Temperatur mit einer konstanten Kraft auf Zug belastet. Ihre Verlängerung wird in Abhängigkeit von der Prüfzeit erfasst sowie die Zeit bis zum Probenbruch. Das Ergebnis ist eine Kriechkurve. In der Anfangsphase der Belastung hat sie zunächst einen degressiven Verlauf (primäres Kriechen). Dann geht sie in einen Bereich über, der sich durch eine konstante, minimale Kriechgeschwindigkeit auszeichnet. Das ist der gesuchte Bereich, der zugleich den größten Anteil der Gesamtlebensdauer einer Probe ausmacht.
Die klassische Bestimmung des Langzeitkriechverhaltens ist sehr zeit- und kostenintensiv. Mit dem SIM-Verfahren (Stepped Isothermal Method) hat sich eine zeitsparende und bewährte Methode etabliert. Sie erlaubt es, das Werkstoffverhalten über eine Zeitspanne von 100 Jahren in wenigen Tagen zu simulieren, für die man mit konventionellen Kriechversuchen mehr als zehn Jahre benötigen würde.
Die Besonderheit dieser Methode ist die Ermittlung aller Ausgangsdaten an einem einzigen Probenkörper. Dazu wird während des Zugversuchs die Temperatur in definierten zeitlichen Abständen um einen konstanten Betrag stufenweise erhöht und dabei die Zunahmen der Dehnung erfasst. Nach der Korrektur des Temperatureinflusses auf die Dehnung werden die einzelnen Temperaturrampen zu der gesuchten Masterkurve mit logarithmischer Zeitachse zusammengesetzt. Die Übereinstimmung der generierten Masterkurven mit den Ergebnissen konventioneller Messmethoden ist sehr gut, setzt aber eine schnelle Änderung und die genaue Regelung der Temperatur während der Prüfung voraus.
Speziell geregelte Lastachsen
Die Kappa Multistation ist eine hochpräzise elektromechanische Zeitstandprüfmaschine. Sie lässt sich komplett ausgebaut mit bis zu sechs individuell geregelten Lastachsen mit Spindelantrieb ausstatten. Die Proben können gleichzeitig in einer Temperierkammer von minus 70 bis plus 250 Grad Celsius geprüft werden. Jede Lastachse ist einzeln und unabhängig von den anderen von 20 bis zehn Kilonewton stufenlos belastbar. Die Prüfgeschwindigkeit reicht von 0,001 Millimeter pro Stunde bis 100 Millimeter pro Minute. Durch den Einsatz eines automatischen und benutzerunabhängigen Temperaturreglers sind die für das SIM-Verfahren geforderten präzisen Probentemperaturen gewährleistet.
Die Dehnungsmessung erfolgt mit den optischen Extensometern videoXtens von Zwickroell über ein Sichtfenster mit Vierfachglas an der Rückseite der Temperierkammer. Jede Lastachse ist mit einem solchen berührungslos messenden Extensometer ausgestattet. Dadurch ist weder eine Anbringung von Fühlerarmen notwendig noch gibt es einen Einfluss auf sensible Proben.
Die Extensometer sind geeignet für die Messung der Probenlängenänderung bei Zug-, Druck- und Biegeprüfungen an allen Arten von Kunststoffen, Metallen, Gummi, Verbundwerkstoffen sowie Folien. Bei einer Ausgangsmesslänge von 50 Millimetern und einer erwarteten Dehnung von fünf Millimetern erreichen sie eine Auflösung von 0,4 Mikrometern. Die Verarbeitung der Daten erfolgt mit der Prüfsoftware testXpert. Sie ermöglicht nicht nur Standardprüfungen, sondern auch beliebig definierbare Prüfabläufe.