Qualitätskontrolle im Megahertz-Bereich
Machine Vision
Mit schneller Bildverarbeitung beschäftigt sich die Forschungsgruppe High-Performance Vision Systems am AIT Austrian Institute of Technology in Wien schon seit den 1990er Jahren. Auf Basis einer »EoSens-Creation«-Kamera von SVS-Vistek stößt das AIT-Team in bislang unerreichte Geschwindigkeitsbereiche vor.

Auf Basis der Bildaufnahme mit der neuen Technologie kann Mikroschrift auf Banknoten selbst bei hohen Aufnahmegeschwindigkeiten präzise erkannt werden. Bild: AIT Austrian Institute of Technology
Hochautomatisierte Produktionsprozesse können unglaublich schnell sein: Elektronikbauteile, Batteriefolien oder Druckerzeugnisse werden mit Geschwindigkeiten im Bereich bis zu zehn Metern pro Sekunde hergestellt. Noch schnellere Prozesse finden sich beispielsweise bei der Fertigung von Drähten oder Kabeln, wo Produktionsgeschwindigkeiten bis zu 100 Metern pro Sekunde keine Seltenheit sind.
Für das menschliche Auge sind derartige Geschwindigkeiten nicht aufzulösen, doch auch Bildverarbeitungssysteme, die zur Qualitätsprüfung von sehr schnell produzierten Bauteilen eingesetzt werden, können dieses Tempo häufig nicht zuverlässig mitgehen. Obwohl die Leistungsfähigkeit dieser Technologie in den vergangenen Jahren stetig zunimmt, stoßen selbst Highend-Systeme bei extrem schnellen Prüfvorgängen zuweilen an ihr Limit.

Schematisches Scan-Verfahren: Ein schnell bewegtes Objekt wird durch eine rasche Folge von Bildausschnitten bestehend aus wenigen Zeilen aufgenommen. Wesentlich dabei ist die gute Synchronisierung der Aufnahme zur Objektbewegung. Quelle: AIT Austrian Institute of Technology
»Aufnahmegeschwindigkeiten mit 1-MHz-Zeilenrate waren bis jetzt für industrielle Anwendungen unerreichbar«, weiß Dr. Ernst Bodenstorfer, Senior Expert bei der Forschungsgruppe High-Performance Vision1 Systems. »Diese Schallmauer haben wir nun geknackt.«
Trickreich zu mehr Geschwindigkeit
Das AIT erzielt die hohen Geschwindigkeiten bei der Bildaufnahme auf trickreiche Weise. So werden zur Überprüfung langer oder fast endloser Objekte in der Regel Zeilenkameras eingesetzt, die auf Basis von Zeilensensoren arbeiten. Damit werden Bilder »scheibchenweise« aufgenommen und vor der Auswertung aneinandergesetzt.

Das AIT Austrian Institute of Technology ist Österreichs größte Forschungs- und Technologieorganisation, die mit mehr als 1.500 Mitarbeiter an den zentralen Infrastrukturthemen der Zukunft arbeitet. Dr. Ernst Bodenstorfer ist Senior Expert bei der Forschungsgruppe High-Performance Vision Systems. Bild: AIT Austrian Institute of Technology
Das AIT geht jedoch einen anderen Weg, erläutert Bodenstorfer: »Mit der heutigen CMOS-Bildsensortechnologie sind Flächensensoren verfügbar, die hinsichtlich der pro Sekunde erfassten Zeilen um ein Vielfaches schnellere Abtastraten erlauben als die schnellsten Zeilensensoren. Unser Ansatz besteht darin, die FPGA-Logik einer handelsüblichen Kamera um eine integrierte Echtzeitverarbeitung zu erweitern. Damit lassen sich Flächen-Scans präzise mit der Objektbewegung synchronisieren und die Bilder nahtlos zu einem kontinuierlichen Bildstrom zusammenfügen. Unerwünschte Schattierungsartefakte werden bei diesem Konzept bereits innerhalb der Kamera korrigiert.«

Schematisches Blockdiagramm der Kamera mit Aufteilung des FPGA-Designs. Quelle: AIT Austrian Institute of Technology
Dass das AIT eine herkömmliche Flächenkamera mit 1920 x 1080 Pixeln um eine spezielle FPGA-Funktionalität für das Zusammenfügen von Bildern und die präzise Synchronisation mit ultraschnellen LED-Blitzbeleuchtungen erweitert hat, stellt nach Bodenstorfers Worten die wesentliche Innovation der Entwicklung dar. Dieser Kunstgriff führt zu beispiellosen Scan-Geschwindigkeiten, die denen einer Zeilen-Scan-Kamera mit 1 MHz Zeilenrate entsprechen.
Die richtige Kamera als Basis
Naturgemäß kam der Kamera für das vom AIT realisierte Highspeed-Bildverarbeitungssystem mit der Bezeichnung »xposure:1M« eine Schlüsselrolle zu. Bodenstorfer und sein Team entschieden sich für die »Mikrotron EoSens Creation 2.0 XGE« von SVS-Vistek, die der Gilchinger Hersteller seinem Kunden zunächst als Leihgabe überlassen hatte.

Photometric-Stereo-Aufnahmetechnik am Beispiel der Braille-Schrift (Positionen weiß umrandet) auf einer Musternote. Bild: AIT Austrian Institute of Technology
»Einer der Hauptgründe für diese Kameraauswahl war der darin integrierte schnelle Sensor >LUX19HS˂ von Luxima, der ohne Frame Overhead Time auskommt und daher auch beim Auslesen einer geringen Anzahl von Zeilen noch eine gute Performance bietet«, erläutert Bodenstorfer. »Darüber hinaus ermöglicht es diese Kamera, eigenes IP für die performante, intelligente Bildvorverarbeitung in das FPGA der Kamera zu integrieren sowie eine Verkettung der Aufnahmen zu größeren Bildern für eine optimierte Verarbeitung zu realisieren. Diese einzigartige Möglichkeit nutzen wir, um die Bildaufnahme auf Sub-Mikrosekunden genau mit der Objektbewegung und der Blitzsteuerung der Beleuchtung zu synchronisieren und die Bilddaten in handhabbare Frame-Größen zu portionieren.«
In der Standardausführung stellt die »Mikrotron EoSens Creation 2.0 XGE« eine Auflösung von 1920 x 1080 Pixeln sowie eine Bildrate von maximal 2200 Bildern pro Sekunde zur Verfügung. Für das AIT-System wurde die Auflösung auf acht Zeilen mit einer Breite von 1024 Pixeln reduziert, um auf dieser Basis eine sensorseitige Geschwindigkeit von 125.000 Bildern pro Sekunde zu erreichen. Dies ermöglicht es nunmehr, die Kamera ähnlich einer Zeilenkamera mit einer Zeilenrate von 1 MHz zu betreiben.
Ein weiterer Pluspunkt der gewählten Kamera ist die »10GigE-Vision-SFP+«-Schnittstelle, welche die aufgenommenen großen Datenmengen via Glasfaserverkabelung sehr schnell und auch über große Entfernungen übertragen kann. Je nach Anwendungsfeld kann diese Eigenschaft entscheidend sein, um den verzögerungsfreien Transport der Bilddaten von der Aufnahmeposition an den Verarbeitungsrechner zu gewährleisten.
Beleuchtung als Kriterium
Die Geschwindigkeit der Bildaufnahme ist eine Sache – ebenso wichtig ist jedoch die erzielbare Bildqualität bei hohen Scan-Raten von 1 MHz und darüber. An diesem Punkt kommt die Beleuchtung ins Spiel, denn nur durch die Kombination einer Highspeed-Flächenkamera mit einer schnellen Beleuchtung im Pulsbetrieb lassen sich herausragende Ergebnisse erzielen.

Die Kamera »Mikrotron EoSens Creation 2.0 XGE« von SVS-Vistek stellt die Basis für das vom AIT realisierte Highspeed-Bildaufnahmesystem »xposure:1M« dar. Bild: SVS-Vistek
»Eine Zeilenrate von 1 MHz erfordert eine besonders kurze Belichtungszeit von etwa einer Mikrosekunde bei gleichzeitig höchstmöglicher Lichtintensität, um eine gute Bildqualität zu erhalten«, erklärt Bodenstorfer. »Im Gegensatz zu Standardbeleuchtungen für Flächenkameras, bei denen eine größere Fläche ausgeleuchtet wird, müssen mit unserer >xposure:1M˂-Technologie nur wenige Zeilen beleuchtet werden. Das hat den Vorteil, dass einerseits sehr hohe Pulsleistungen durch die Überstromung moderner LED möglich sind. Zum anderen kann ein schmaler Aufnahmebereich sehr hell und homogen beleuchtet werden, was bei einer Flächenbeleuchtung schwieriger zu realisieren ist.«
Mit Hochleistungs-LED kann die Lichtleistung durch Übersteuerung bei gepulster Beleuchtung mit einem kleinen Tastverhältnis deutlich erhöht werden. Dies gilt für die Beleuchtung des Sichtfelds der Flächenkamera, da die Belichtungszeit nur einen Bruchteil der Bildperiode betragen darf, um Bewegungsunschärfen zu vermeiden. Die Lichtquelle muss also nur für einen kurzen Teil jedes Zyklus eingeschaltet werden. Eine mögliche Beleuchtungslösung für das System ist die schnelle Stroboskop-Linienlichttechnologie »xposure:flash« vom AIT mit Impulsdauern bis zu einer Mikrosekunde.
Entscheidend für die optimale Bildqualität ist zudem ein exakt synchronisiertes Triggern der Kamera mit dem Vorschub des Objekts. »In der aktuellen Konfiguration unseres Systems, in der jeweils rund zehn Zeilen ausgelesen werden, ist eine Synchronisationsgenauigkeit mit Abweichungen plusminus fünf Prozent ausreichend, was für die meisten industriellen Anwendungen gut realisierbar ist«, so Bodenstorfer.
Kompetenter Support
Neben den technischen Eigenschaften der »Mikrotron EoSens Creation 2.0 XGE« konnte SVS-Vistek das AIT-Team auch auf einer anderen Ebene überzeugen, ergänzt Bodenstorfer: »Die gute und kompetente Betreuung durch unsere Ansprechpartner bei SVS-Vistek während der Einschulungsphase zur HDL-Programmierung, also >Hardware Description Language˂, der Kamera hat uns in diesem Projekt ebenso geholfen wie der laufende Support. Besonders wertvoll waren für uns darüber hinaus die kundenspezifischen Anpassungen, die SVS-Vistek exklusiv für das AIT realisiert hat, um die benötigten Spezialfunktionen der Kamera zu ermöglichen.«
Die Leistungsfähigkeit des Konzepts haben Bodenstorfer und sein Team mittlerweile anhand verschiedener Beispiele unter Beweis gestellt. So montierten sie eine Banknote auf eine Trommel, die mit einer Geschwindigkeit von zehn Metern pro Sekunde rotiert. Bei der Aufnahme einer »Region of Interest« von acht Zeilen mit einer Geschwindigkeit von 125.000 Bildern pro Sekunde erzielte das System die beeindruckende Gesamtgeschwindigkeit von einer Million Zeilen pro Sekunde und war dabei in der Lage, Details mit einer Auflösung von zehn Mikrometern pro Pixel aufzunehmen. Selbst 200 Mikrometer kleine Zeichen auf der Banknote konnten damit noch sicher gelesen werden.
Aufgrund dieser Ergebnisse sieht Bodenstorfer zahlreiche Anwendungsbereiche für die »xposure:1M«-Technologie des AIT und nennt einige Beispiele: »Dieses Highspeed-System eignet sich unter anderem für die schnelle optische Inspektion von Drähten, Kabeln oder Metallbändern in der metallverarbeitenden Industrie, für die Überprüfung von Sicherheitsdrucken wie Reisepässen oder Banknoten sowie von Verpackungsdruck, beispielsweise zur Kontrolle von Braille-Code auf Medikamentenpackungen. Beispiele aus der Elektronikfertigung sind die schnelle Inspektion von >Printed Circuit Boards˂ oder von Batterie-Folien beziehungsweise Batterie-Elektroden. Das System kann auch zur Inspektion von Infrastruktur wie Schienen- oder Straßenoberflächen oder weiteren Aufgaben eingesetzt werden, wo flache und schmale Oberflächen von sehr schnell bewegten Objekten mit hoher Auflösung gescannt werden müssen.«
Das gilt insbesondere dann, wenn Objekte unter unterschiedlichen Beleuchtungsgeometrien quasi »gleichzeitig« mit Hilfe von schnellem Zeit-Multiplex aufgenommen werden sollen wie durch »Inline-Photometric-Stereo«-Systeme. Für sehr schnelle Anwendungen, die dennoch eine hohe Präzision des Vision-Systems erfordern, ist die Technologie des AIT ein heißer Kandidat.
Das AIT
Das AIT Austrian Institute of Technology ist Österreichs größte Forschungs- und Technologieorganisation, die mit mehr als 1500 Mitarbeitern an den zentralen Infrastrukturthemen der Zukunft arbeitet. Das AIT konzentriert sich auf die Forschungsschwerpunkte Nachhaltige und resiliente Infrastrukturen, insbesondere in den Bereichen Energie, Verkehr und Gesundheit, sowie die Digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Forschungsgruppe High-Performance Vision Systems am AIT Austrian Institute of Technology in Wien versteht sich als Bildverarbeitungsspezialist und untersucht die technischen Möglichkeiten, Systeme mit höchsten Inspektionsgeschwindigkeiten und höchster Präzision zu realisieren.