3D-Sensor »goCRASH3D« filmt Crashtests im Fahrzeuginnenraum
Sondermesseinrichtungen
»goCRASH3D« erfasst erstmals hochfrequente 3D-Daten direkt im Fahrzeug. Das System mit zwei Kameras, starker LED-Beleuchtung und Rechner zeigt Verformungen und Bewegungen im Innenraum während des Aufpralls – etwa auch hinter dem Airbag. Entwickelt am Fraunhofer IOF.

goCRASH3D (rechts) schaut mit seinen Kameras auf den Dummy. Die Auflösung der beiden 2D-Kameras ist jeweils 512 x 512 Pixel (Bild: Fraunhofer IOF).
Mit »goCRASH3D« stellt das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF ein Messsystem vor, das 3D-Daten während des Crashtests direkt im Fahrzeug aufnimmt. Damit lassen sich bislang schwer zugängliche Bereiche analysieren – etwa der Fußraum oder Zonen, die durch den sich entfaltenden Airbag verdeckt sind. Grundlage ist langjährige Entwicklung in der Hochgeschwindigkeits-3D-Erfassung am IOF und die Übertragung dieser Technik in den engen, stark beschleunigten Fahrzeuginnenraum.
Technik im Überblick
Kern von »goCRASH3D« sind zwei synchronisierte Hochgeschwindigkeitskameras, eine leistungsstarke Beleuchtung und ein Auswerterechner. Entscheidend ist die Beleuchtung: Je kürzer die Belichtungszeit, desto höher der Lichtbedarf. Eingesetzt wird eine Einzel-LED mit 15 000 Lux. Die Kameras liefern jeweils 12 000 Bilder pro Sekunde bei 512 × 512 Pixeln. Aus den 2D-Sequenzen berechnet der Rechner rund 1 200 3D-Frames pro Sekunde. In den beschriebenen Versuchen lag das Bildfeld bei 70 × 70 cm² in etwa einem Meter Abstand; die Parameter sind anpassbar. Das komplette System ist in einem Rahmen mit Elastomerpuffern gelagert und hält Beschleunigungen bis 200 g sowie Schocks bis 60 g stand – eine zentrale Voraussetzung, um den Aufprall im Fahrzeug zu überstehen.
GOBO-Muster für eindeutige Zuordnung
Für die 3D-Rekonstruktion nutzt das Team eine aus der Bühnentechnik adaptierte »GOBO-Technologie«. Eine rotierende Scheibe projiziert ein unregelmäßiges, nichtperiodisches Sinusmuster auf die Szene. Das ermöglicht die eindeutige Zuordnung von Bildpunkten zwischen den beiden Kameraperspektiven. Aus der bekannten Kamerageometrie und dem Versatz der Bildpunkte werden die 3D-Koordinaten berechnet. Dieser Ansatz ist robust, schnell und eignet sich damit für hochdynamische Prüfabläufe wie den Crash.
Erprobung und Anwendungsfelder
Die IOF-Entwicklungen zur 3D-Hochgeschwindigkeitsaufnahme werden seit Jahren in der Automobilbranche erprobt – vom zeitaufgelösten Beobachten der Airbag-Entfaltung bis zur Verlagerung der Messung in den Innenraum. Ein Demonstrator von »goCRASH3D« läuft seit 2023 beim Projektpartner. Der Nutzen: Entwicklerinnen und Entwickler erhalten zusätzlich zu Außenaufnahmen eine dichte 3D-Zeitreihe aus dem Fahrzeuginneren, um Bewegungen und Verformungen von Bauteilen zu quantifizieren. Denkbar sind außerdem Anwendungen in Sicherheitsforschung und Sportmedizin, wenn schnelle, räumlich aufgelöste Bewegungsabläufe analysiert werden sollen.
Ausblick
Aktuell wird »goCRASH3D« weiterentwickelt. Am IOF wurden Hochgeschwindigkeitsaufnahmen bereits mit weiteren Kameras gekoppelt, sodass 3D-Daten mit spektralen Informationen verknüpft werden können. Mittel- bis langfristig adressiert die Technik wachsende Anforderungen an Sicherheit und Nachvollziehbarkeit von Crashabläufen. Für die Branche bedeutet das: mehr Messpunkte im Fahrzeug, weniger Blindbereiche, bessere Grundlage für Entscheidungen in Konstruktion, Validierung und Absicherung.
Messepräsenz
Das Team zeigt »goCRASH3D« auf der VISION in Stuttgart (8.–10. Oktober, Stand 10G92) sowie auf der IZB in Wolfsburg (22.–24. Oktober, Halle 2, Stand 2201). Interessierte aus Entwicklung, Versuch und Qualitätssicherung können sich dort ein Bild von Systemaufbau, Datenauswertung und Integrationsmöglichkeiten im Versuchsfahrzeug machen.