Das ERP-System im Mittelpunkt der Digitalisierung

Artikel vom 24. Juni 2024
Software

Schirmer entwickelt spezifische Konzepte für die jeweiligen Anforderungen und setzt auf leistungsstarke Bearbeitungstechniken. Bilder: Schirmer

Das Multiprojektmanagementsystem »ams.erp« steht im Mittelpunkt der Digitalisierungsstrategie bei der Schirmer Maschinen GmbH aus Verl. ERP-Projektleiter Lars-Erik Bischoff erklärt im Interview, was seit der Implementierung im Herbst 2020 erreicht wurde und welche Ziele die Verantwortlichen des ostwestfälischen Anlagenbauers noch verfolgen.

Schirmer Maschinen wurde vor acht Jahren von der Gruppe Beckhoff Automation übernommen. Wie hat sich das Unternehmen entwickelt?

Bischoff: Das Unternehmen hat sich über die Jahre zu einem international renommierten Technologievorreiter auf dem Gebiet der Konstruktion, der Fertigung und der Montage individueller Maschinenlinien für die Bearbeitung von PVC- und Alu-Profilen entwickelt sowohl für den Fenster- und Türenbau, als auch für den Fassaden- und Hallenbau. Seit 2016 gehört die mittelständische Schirmer GmbH zur Beckhoff-Automation-Gruppe, einem Hersteller im Bereich der Elektroindustrie.

Schirmer Bearbeitungsmaschinen für PVC-Profile, Aluminium-Profile, Stahl-Profile und Composite-Profile ermöglichen Profilbearbeitung auf höchstem Niveau.

Wer sind die Abnehmer der Maschinen?

Bischoff: Das Kundenspektrum reicht von handwerklich geprägten Fensterherstellern, die eine kleine Anlage mit nur einer Säge bestellen, bis hin zu multinationalen Konzernen, für die wir nonstop laufende, vollautomatisierte Fertigungsstraßen bauen. Diese breite Spanne sorgt dafür, dass alle Anlagen hinsichtlich ihrer Leistungsstärke individuelle Ausstattungen besitzen. Hinzu kommen die stets unterschiedlichen Platzverhältnisse am Aufstellort, die für die Maschinenmaße entscheidend sind.

Sehen Sie Schirmer als Einzelfertiger?

Bischoff: Wir sind kein klassischer Sondermaschinenbauer, sondern betreiben eher modularen Sonderbau mit hoher Varianz. Unsere Kunden können die für sie passenden Komponenten aus einer Art Baukasten zusammenstellen. Aus Effizienzgründen versuchen wir, möglichst viel zu standardisieren, was uns allerdings niemals ganz gelingen wird. Jedes Projekt weist kundenspezifische Besonderheiten auf, die wir konstruktionsseitig erfüllen müssen.

Von Bohr- und Fräsprozessen über Gewindefräsen, Flow-Drill und stirnseitige Bearbeitung bis hin zur automatischen Schließteil-Einsetzstation kombinieren die Ostwestfalen bewährte Prozesse mit innovativen Spezialanfertigungen.

Wie organisiert sich das Unternehmen mit Blick auf diese anspruchsvolle Aufgabenstellung?

Bischoff: Wir benötigen die Unterstützung eines durchgängigen ERP-Systems, das uns als unternehmensweite Datendrehscheibe jederzeit mit den aktuellen Kennzahlen und Informationen versorgt. Ein solches System befindet sich seit Herbst 2020 bei Schirmer im Einsatz. Ohne diese Software wäre das Firmenwachstum seitdem nicht adäquat zu steuern gewesen.

Was sind die Gründe dafür?

Bischoff: Als ich Anfang 2020 ins Unternehmen kam, umfasste die Belegschaft 160 Mitarbeitende. Nicht einmal drei Jahre später waren es bereits 240. Da reicht ein punktueller Software-Einsatz nicht mehr aus. Stattdessen benötigten wir eine einheitliche Datenbasis über alle Abteilungen hinweg. Diese war zuvor nicht vorhanden. Durchgängigkeit ist jedoch die Voraussetzung für die abteilungsübergreifende Informationsversorgung und damit auch für die Akzeptanz der Software innerhalb der Belegschaft. Die Akzeptanz wiederum ist deshalb so entscheidend, weil das neue System im Zentrum unserer langfristigen Digitalisierungsstrategie steht. Es gibt die Richtung für die kommenden 15 Jahre vor. Folglich war das ERP-Projekt weit mehr als eine Software-Einführung, es war der Startschuss für einen kompletten Strukturwandel unserer Organisation.

Was musste die Software funktional mitbringen?

Bischoff: Neben dem Aspekt der Durchgängigkeit war eine weitere Grundvoraussetzung, dass sie einen besonderen Zuschnitt auf die Einzel-, Auftrags- und Variantenfertigung haben musste. Gleichzeitig sollte sie flexibel genug sein, um die Prozesse entsprechend unserer Anforderungen bestmöglich zu gestalten. Wir wollten kein ERP-System, das lediglich den Status quo abbildet, sondern eine offene und moderne Plattform, mit der wir das weitere Wachstum gestalten können. In all diesen Punkten konnte uns »ams.erp« am meisten überzeugen.

Was macht den Zuschnitt auf die Losgröße 1+ aus?

Bischoff: Dazu zählt die Möglichkeit, Artikel mit und ohne die sonst in ERP-Systemen obligatorischen Artikelnummern durch einen Auftrag führen zu können. Dadurch reduziert sich die Pflege des Artikelstamms immens. Mindestens ebenso wichtig ist, dass das System mit dynamischen Produktstrukturen umgehen können muss, da sich im Verlauf der Projekte eigentlich immer Anpassungen an der Maschinenauslegung ergeben. Die »wachsende Stückliste« bildet versionssicher alle Änderungen ab, die sich aus unserer fortlaufenden Konstruktionsarbeit ergeben. Dies ermöglicht uns, Teile und Material zum frühestmöglichen Termin zu bestellen und mit der Fertigung zu beginnen, während im Hintergrund weiter konstruiert wird.

Welche Faktoren waren in Ihren Augen entscheidend für die erfolgreiche ERP-Implementierung?

Bischoff: Das A und O war die konsequente Unterstützung seitens unseres Geschäftsführers, der in den wichtigen Besprechungen zur Geschäftsprozessmodellierung immer anwesend war. Er ließ nie Zweifel daran aufkommen, dass er hinter allen Entscheidungen stand. Ein weiterer Aspekt war, dass neben vielen jüngeren Mitarbeitenden auch leitende Angestellte erkannten, dass der Aufbau einer zukunftsfähigen Ablauforganisation mit dem alten System nicht mehr möglich war. Inzwischen sind sich alle Prozessteilnehmer einig darüber, dass unser hohes Pensum mit der Vorgängersoftware nicht mehr zu schaffen gewesen wäre.

Was meinen Sie mit dem Begriff »hohes Pensum«?

Bischoff: Wir hätten die Menge an Maschinen nicht mehr durchgebracht, weil wir immer mit Fehlteilen zu kämpfen gehabt hätten. Diese Problematik ist behoben. Aufgrund der zeitweise extremen Lieferengpässe erhielten wir eine direkte Vorgabe unseres Gesellschafters Hans Beckhoff, eine gewisse Menge bestimmter Materialien und Teile stets vorrätig zu halten. Für die Umsetzung dieser Maßnahme benötigten wir mit »ams.erp« genau einen Tag, was zuvor undenkbar gewesen wäre. Aus der Vormontage erhalten wir die Rückmeldung, noch nie so gut in der Materialbeschaffung gewesen zu sein. Früher fehlten Motoren oder Bleche, was die Projektabwicklung natürlich immens behinderte. Heute hingegen können wir vorarbeiten und auch einmal Sonderschichten einlegen, weil immer alle Teile vorhanden sind. Wir nutzen die Fehlteileprüfung der Software, kennen den aktuellen Lagerbestand sowie die Lagerorte und arbeiten erstmals mit einem Arbeitsvorrat.

Wie lief die Prozessdefinition ab? Haben Sie sich an den vorgegebenen Abläufen von »ams.erp« orientiert?

Bischoff: Es war das explizite Anliegen der Firmenleitung, den vordefinierten ERP-Standard zu übernehmen. Wir wollten nicht den Fehler begehen, die Software an Schirmer anzupassen. Vielmehr wollten wir uns bewusst den branchenbewährten Softwareprozessen anpassen. Dies war die absolut richtige Entscheidung. Einerseits, weil wir jederzeit release-fähig bleiben, andererseits, weil Anpassungen zeitlich und finanziell immer einen enormen Aufwand verursachen. In diesem Rahmen war die ams-Geschäftsprozessmodellierung (GPM) sehr hilfreich.

Wie passt die von Ihnen genannte Flexibilität mit der Nutzung des Standards zusammen?

Bischoff: »ams.erp« bietet innerhalb des Standards verschiedene Optionen. Wichtig war in diesem Zusammenhang die gute Zusammenarbeit mit den ams-Beratern, die genau wussten, wie wir die Prozesse am besten einrichten sollten. Natürlich ist ein ERP-System im Vergleich zu Excel oder Word immer starr. Aber dies ist ja exakt so gewollt, um den Gesamtprozess so transparent wie möglich zu gestalten. Dennoch sind wir im Rahmen des Standards flexibel genug, unter anderem mittels selbst konfigurierbarer Workflows und Dashboards. Auch bei SQL-Abfragen können wir dank der anfänglichen Unterstützung eigenständig arbeiten.

Der Umzug vom Gründungsort Sennestadt an den heutigen Firmensitz in Verl erfolgte Anfang der 1980er Jahre. Seit 2016 ist Schirmer Teil der Beckhoff-Automation-Gruppe.

Können digitalisierte Prozesse ein Faktor sein, der Schirmer für qualifiziertes Personal attraktiver macht?

Bischoff: Ich denke ja. Wir betrachten das ERP-System als Taktgeber für eine gesunde Firmenentwicklung, denn das Wissen über die aktuellen Kennzahlen bietet ja erst die Voraussetzung dafür, Personal einstellen zu können. Dank des ERP-Systems kennen wir die Auftragslage und können entsprechend vorausschauend handeln, indem wir etwa zu guten Konditionen Material und Teile beschaffen. Die Software gibt uns Sicherheit und bietet Optionen für die Zukunft — auch mit Blick auf Personalgewinnung und -bindung. Ich glaube zudem, dass die Mitarbeitenden die modernen, digitalen Arbeitsplätze zu schätzen wissen und die getätigten Investitionen über mehr Leistungsbereitschaft »zurückzahlen«. Wenn die Schlosser ihr Material nicht mehr im Lager zusammensuchen müssen, sondern auf einen Blick im System sehen, wann die benötigten Teile verfügbar sind, bedeutet dies eben eine immense Erleichterung ihres Alltags.

In welchen Punkten sind Sie besser geworden?

Bischoff: Papierbasierende Prozesse, die etwa das Bestellwesen früher fehleranfällig und langsam machten, konnten wir größtenteils ablösen. Die Digitalisierung führt dazu, dass wir insgesamt viel strukturierter arbeiten. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass wir aufgrund der exakten Daten im System viel sicherer hinsichtlich der Einhaltung unserer Liefertermine geworden sind.

Konnten auch Kosten reduziert werden?

Bischoff: Durch Bündelungseffekte konnten wir die Preissteigerungen in mehreren Bereichen über Mengeneffekte ausgleichen. Es wirkt sich also auch kostenseitig positiv aus, dass wir Artikel, die zu späteren Zeitpunkten benötigt werden, frühzeitig mitbestellen können und Unterdeckungen vermeiden. Mit unseren Vorbestellungen liegen wir mittlerweile anderthalb Jahre im Voraus.

Inwieweit können Sie die Projekte exakter kalkulieren?

Bischoff: »ams.erp« bringt sämtliche Funktionalitäten für eine exakte und aktuelle, mitlaufende Kalkulation mit. Dadurch haben wir in Echtzeit Zugriff auf den Status der laufenden Projekte — unter Berücksichtigung aller Budget- und Solldaten. Kostenseitige Fehlentwicklungen in der Auftragsabwicklung erkennen wir frühzeitig. Unter Einbeziehung des optionalen Moduls »ams.bi« sind wir noch weiter gegangen. Wir zapfen die ERP-Daten an und erhalten nun auf Knopfdruck pro Maschine sämtliche Informationen zum jeweiligen Anteil der unterschiedlichen Kostenarten wie Konstruktion, Kaufteile, Fertigung, Vor- und Endmontage oder Inbetriebnahme. Auch kennen wir den Deckungsbeitrag und die Marge für jede einzelne Maschine. Zudem habe ich eine SQL-Auswertung geschrieben, die uns sagt, was uns dieselbe Maschine zu den Maximalpreisen von 2020 oder 2021 gekostet hätte.

Zu welchem Ergebnis gelangten Sie?

Bischoff: Im Mittel lagen wir in dem genannten Zeitraum bei einer Preissteigerung im einstelligen Prozentbereich, wobei es auch viele Teile gab, die 30 bis 40 Prozent zugelegt hatten. Die Ermittlung dieser Zahlen führen wir natürlich fort, denn dadurch wissen wir, wie wir unsere Preise gestalten müssen. Es lässt sich jeder Artikel und jeder fremd vergebene Arbeitsgang auswerten.

Schafft diese präzise Einzelbewertung schafft auch einen besseren Überblick über das Unternehmen?

Bischoff: Natürlich. Der Gesamtprozess inklusive Kostenrechnung und Halbfertigenbewertung ist transparent. Die Halbfertigenbewertung, die komplett über ams gefahren wird, hat unser Wirtschaftsprüfer bereits nach einem Jahr abgenommen, nachdem er zunächst mindestens zwei Jahre prognostiziert hatte. Der Materialfluss, die Materialbeschaffung und der kaufmännische Teil rund um die Bewertung der Halbfertigen sind drei maßgebliche Prozesse, die uns enorm weitergebracht haben.

Wie bewerten Sie das bisher Erreichte insgesamt?

Bischoff: Unser Geschäftsführer Ludger Martinschledde bestätigte kürzlich, dass wir ohne die vorausschauenden Qualitäten von »ams.erp« nicht annähernd so gut durch die Krisenjahre von 2020 bis 2022 gekommen wären. Das Zusammenspiel aus neuer Software und den im Zuge der Implementierung umgestalteten Organisationsstrukturen macht uns schlagkräftiger.

Worauf lag der Hauptfokus, als es in Richtung Echtstart ging? Gab es einen neuralgischen Punkt?

Bischoff: Die Schnittstelle zwischen dem CAD- und dem ERP-System war der Aspekt, vor dem auch unser Geschäftsführer aufgrund früherer Erfahrungen den meisten Respekt hatte. Dank der sehr guten Zusammenarbeit von ams, unserem CAD-Partner ISD und unseren Fachleuten gelang die Realisierung der Schnittstelle jedoch einwandfrei. Die Übergabe der jeweils 130.000 Artikel und Stücklisten erfolgte ohne Probleme, was in ERP-Projekten eher selten ist.

Wie sehen die Planungen für die Zukunft aus?

Bischoff: Unsere Geschäftsführung möchte Schirmer zu einem komplett digitalisierten Unternehmen aufbauen, mit dem ERP-System als zentraler Komponente. Deshalb war es so eminent wichtig, dass die ams-Mitarbeitenden wissen, wovon sie sprechen, und dass sie bereits viele ähnliche Projekte umgesetzt haben.

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