Wo ist der Zug genau?

Artikel vom 24. September 2022
Sensoren

Mangelnde Kapazitäten, Verspätungen und unvorteilhafte Taktung dämpfen die Begeisterung vieler Bahnreisender. Viele Engpässe ließen sich beseitigen oder abmildern, wenn innerhalb eines engeren Zeitraums mehr Züge auf demselben Gleis fahren können. Expertinnen und Experten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und von ITK Engineering haben einen Sensor entwickelt, der mittels magnetischen Fingerabdrucks die Position von Zügen genau ermittelt. Das könnte die Kapazität des bestehenden Schienennetzes enorm steigern.

Die genaue Position eines Zuges lässt sich mit Hilfe eines Sensors künftig besser bestimmen. Bild: Jan Potente/Bosch Zünder

»Indem wir die Position eines Zuges auf dem Gleis genauer und zuverlässiger bestimmen als bisher, können Züge in kürzeren zeitlichen Abständen einen Gleisabschnitt passieren – die Kapazität pro Gleiskilometer steigt«, sagt Dr. Martin Lauer vom Institut für Mess- und Regelungstechnik des KIT. Die Funktionsweise des »Magnetic Railway Onboard Sensor« (MAROS) ist simpel: »Auch ein Bahngleis aus Metall hat eine Art Fingerabdruck, der an jeder Stelle ein ganz individuelles Profil aufweist«, erläutert Lauer. Der »MAROS« kann diesen Fingerabdruck genau erkennen. »Somit lassen sich Züge weltweit gleisgenau und kontinuierlich lokalisieren«, sagt Tobias Hofbaur, Programmmanager Bahntechnik bei ITK Engineering.

Vorteile gegenüber GPS-Ortung

»Der an der Fahrzeugunterseite befestigte Sensor erzeugt ein elektromagnetisches Feld, das von den ferromagnetischen Stoffen wie den Schienen oder dem Befestigungsmaterial der Schienen beeinflusst wird. Der Sensor misst, wie stark das elektromagnetische Feld verändert wird. So lässt sich jedem Streckenabschnitt ein exakter elektromagnetischer Fingerabdruck zuteilen«, erläutert Lauer. Um die jeweilige Ortssignatur einer exakten geographischen Position zuordnen zu können, braucht es eine Software inklusive intelligenter Algorithmen. »Jede Bahnstrecke muss mindestens einmal abgefahren und vermessen werden, ehe diese Daten dann mit Kartenmaterial der Zugstrecke übereinandergelegt werden können«, berichtet Hofbaur. Dann kann jeder folgende Zug präzise lokalisiert werden.

Gleisgenaue Lokalisierung

Bisher genutzte Lösungen, um die Position von Zügen zu bestimmen, haben sämtlich Defizite, die der »MAROS«-Sensor umgeht: Im Gleis verbaute Informationsträger (Balisen) sind zuverlässig, aber teuer. Kamerasysteme haben den Nachteil, dass sie bei Nacht oder Schneefall nur eingeschränkt funktionieren. GPS-Signale stoßen in Tunnels, Gebirgstälern oder Häuserschluchten an ihre Grenzen. Außerdem lässt sich durch sie nicht sicher erkennen, welches von mehreren nebeneinanderliegenden Gleisen befahren wird. »Diese genaue Lokalisierung ist für den Eisenbahnbetrieb zwingend notwendig und lässt sich über ›MAROS‹ erreichen«, sagt Lauer. »Die Lokalisierung ist somit exakter denn je, kostengünstiger als andere Technologien und weltweit auf allen Stahlschienen einsetzbar«, ergänzt Hofbaur. »Ein flächendeckender Einsatz des Sensors verspricht eine um 35 Prozent bessere Auslastung von Schienennetzen.«

Testfahrten auf unterschiedlichen Streckenabschnitten in Österreich haben stattgefunden. Auf Teilen der West- sowie Nordbahn in der Nähe von Wien konnten die Forschenden belegen, dass der Sensor funktioniert. Auf dem Markt verfügbar soll der Sensor bis Anfang 2025 sein.

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