Hochpräzises Messen mit Quantentechnologie
Sonstige Dienstleistungen
Hochpräzises Messen gewinnt enorm an Bedeutung. Dadurch wird Quantentechnologie weit über die Raumfahrt hinaus zur Schlüsseltechnologie. „Politische Entscheidungen werden auf der Basis von Daten gefällt“, erklärte Prof. Wolfgang Ertmer zum Start des neuen Instituts für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR), dessen Leitung er als Gründungsdirektor übernimmt. Ausgestattet mit einem jährlichen Etat von zehn Millionen Euro sowie 30 Millionen Euro für den Aufbau wird es vor allem von den Drittmitteln abhängen, ob das Institut in Hannover bis zum Ende des Jahrzehnts die geplanten 120 Mitarbeiter im Quanten-Quartier der Leibniz-Universität erreicht.
In dem Trend zu hochgenauem Messen sieht Prof. Anke Kaysser-Pyzalla einen Innovationstreiber. „Weltweit werden Quantentechnologien zu einem wesentlichen Treiber für Innovation und Wachstum“, betont Kaysser-Pyzalla, die Vorstandsvorsitzende des DLR. „In Niedersachsen ist es der Zusammenarbeit mit dem Land und der Uni Hannover zu danken, dass das neue DLR-Institut einen wichtigen Beitrag für diese Zukunftstechnologie leisten kann.“
Quantengestützte Messtechniken werden die Sensorik von Satelliten revolutionieren. Quantensensoren auf Basis von Bose-Einstein-Kondensaten, neuartige Atomuhren, Laser- und Materiewelleninterferometrie sind einige der Technologien, die vor dem Sprung zur Anwendung im Weltall stehen. Im Zuge der „zweiten Quantenrevolution“ vollzieht sich eine beispiellose Präzisionssteigerung von Messtechnik und Sensorik in der Raumfahrt. Im Sommer 2019 hatte der Senat des DLR zugestimmt, das vom Bund und dem Land Niedersachsen finanzierte Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik zu schaffen.
Inertialsensoren sind beispielsweise Beschleunigungs- oder Drehratensensoren, die zur Flugstabilisierung und -navigation eingesetzt werden. Quantensensorik basierend auf der Materiewellen-Interferometrie ermöglicht, Rotation und Beschleunigung mit beispielloser Langzeitstabilität zu messen. Dafür können ultra-kalte Quantengase wie Bose-Einstein-Kondensate eingesetzt werden. In unmittelbarer Nähe des absoluten Temperaturnullpunktes verhält sich eine Atomwolke wie ein einziges „Riesenatom“. Eine Weiterentwicklung dieser Technologie verspricht hochpräzise Regelung von Satelliten, genauere Abstandsregelung bei Formationsflügen eines Satellitenschwarms oder zur präzisen Schwerefeldvermessung der Erde oder anderer Himmelskörper.
„Quantensensoren eröffnen neue Möglichkeiten“, sagte Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für die deutsche Luft- und Raumfahrt. „Sie messen physikalische Größen wie Temperatur, Geschwindigkeit oder elektrische und magnetische Felder mit ungeahnter Präzision. Sie ermöglichen damit eine hochgenaue Erdbeobachtung aus dem All.“ So kann der Klimawandel genauer erforscht werden. Bei der Suche nach Rohstofflagerstätten oder bei der Bewertung der Bodenbeschaffenheit für die Land- und Forstwirtschaft sind Quantensensoren eine Hilfe. Ein weiteres Einsatzgebiet von Quantensensoren sind medizinische Diagnose- und Therapiewerkzeuge.
Innovationen in der Quantentechnologie und Quantensensorik können in hohem Maße auch zur Lösung gesellschaftsrelevanter Herausforderungen bei Themen wie Klimawandel, Wasserressourcen, Energieversorgung, Digitalisierung, Mobilität und Sicherheit beitragen – und auch in zukünftigen Raumfahrtmissionen vollkommen neue Perspektiven eröffnen“, betonte Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler. Bis Ende des Jahres sollen 30 Mitarbeiter am Institut tätig sein.