Wenn Elektroautos brennen
Ein trockener Knall, dann geht es los: Das Batteriemodul eines Elektroautos steht im Versuchsstollen Hagerbach in Flammen. Forscher setzen Batteriezellen in Brand, um die Gefährlichkeit der Rückstände zu untersuchen.
Was passiert, wenn das Elektroauto in einem Straßentunnel oder in einer Tiefgarage Feuer fängt? Im Versuchsstollen Hagerbach setzen Empa-Forscher gemeinsam mit dem Tunnelsicherheitsexperten Lars Derek Mellert Batteriezellen von Elektroautos in Brand, analysieren die chemischen Rückstände im Löschwasser sowie die Verteilung von Ruß und Rauchgasen. Die Empa ist das interdisziplinäre Forschungsinstitut des Bereichs für Materialwissenschaften und Technologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Als Brücke zwischen Forschung und praktischer Anwendung erarbeitet sie Lösungen für die vorrangigen Herausforderungen der Industrie
Ein Knall, dann geht es los: Das Batteriemodul eines Elektroautos steht in Flammen. Das Video des Versuchs zeigt eindrücklich, welche Energie in solchen Batterien steckt: Meterlange Stichflammen zischen durch den Raum und erzeugen gewaltige Mengen an dickem, schwarzen Ruß. Die Sicht in dem zuvor hell erleuchteten Tunnelabschnitt geht rasch gegen null. Nach wenigen Minuten ist das Batteriemodul ausgebrannt. Asche und Ruß haben sich im ganzen Raum verteilt.
Zielgruppe: Betreiber von Parkhäusern
Der Versuch, der vom Schweizer Bundesamt für Straßen finanziert wurde und an dem mehrere Empa-Forscher mitwirkten, fand im Dezember 2019 statt. »Wir haben bei unserem Experiment vor allem auch an private und öffentliche Betreiber von kleinen und großen Tiefgaragen oder Parkhäusern gedacht«, sagt Projektleiter Mellert von der Amstein + Walthert Progress AG. »All diese unterirdischen Bauten werden immer häufiger auch von Elektroautos benutzt. Die Betreiber stellen sich die Frage: Was tun, wenn solch ein Auto Feuer fängt? Welche gesundheitlichen Gefahren entstehen für meine Beschäftigten? Welche Effekte hat solch ein Brand auf den Betrieb meiner Anlage? « Bis jetzt gab es kaum aussagekräftige Fachliteratur und schon gar keine praktische Erfahrung für solch einen Fall.
Mellert entwickelte mit Unterstützung des Batterieforschers Marcel Held und des Spezialisten Martin Tuchschmid von der Empa drei Szenarien. Beteiligt waren außerdem Experten der Versuchsstollen Hagerbach AG und des französischen »Centre d’études des tunnels« in Bron. »Wir haben Testoberflächen im Brandraum montiert, auf denen sich der Ruß absetzte«, erläutert Tuchschmid, Korrosions- und Brandschadenspezialist. »Die Oberflächen wurden nach dem Versuch chemisch analysiert und auch mehrere Monate lang in speziellen Räumen gelagert, um möglichen Korrosionsschäden auf die Spur zu kommen.«
Brand im geschlossenen Raum
Im ersten Szenario geht es um einen Brand in einer abgeschlossenen Parkgarage ohne mechanische Lüftung. Angenommen wurde eine Stellfläche von 28 x 28 Metern Fläche und 2,5 Metern Geschosshöhe. Ein solches Parkgeschoss hat 2000 Kubikmeter Luftvolumen. Angenommen wird der Brand eines Kleinwagens mit einer vollgeladenen Batterie von 32 kWh Leistung. Aus Gründen der Versuchsökonomie wurde alles auf ein Achtel verkleinert: In Brand gesetzt wurde also ein vollgeladenes Batteriemodul mit 4 kWh Kapazität in einem Raum mit 250 Kubikmetern Luftvolumen. Untersucht wurde, wie sich der Ruß auf Tunnelwände, Oberflächen und auf Schutzanzüge anwesender Feuerwehrleute absetzt, wie giftig die Rückstände sind und auf welche Weise sich der Brandort nach dem Ereignis reinigen lässt.
Brand im Raum mit Sprinkleranlage
Das zweite Szenario dreht sich um chemische Rückstände im verwendeten Löschwasser. Der Rauch aus der Batterie wurde mit Hilfe eines Blechs unter eine Wasserdusche gelenkt, die einer Sprinkleranlage ähnelte. Das herunter regnende Rußwasser wurde in einem Auffangbecken gesammelt. Die Batterie wurde dabei nicht gelöscht, sondern brannte vollständig aus.
Brand im Tunnel mit Ventilation
Im dritten Szenario ging es um den Effekt eines solchen Brandes auf eine Lüftungsanlage. Wie weit verteilt sich der Ruß in den Abluftkanälen? Setzen sich dort Substanzen ab, die zu Korrosionsschäden führen?
Ein Ventilator blies den Rauch mit konstanter Geschwindigkeit (1,5 m/s) in einen 160 Meter langen Entlüftungstunnel. Im Abstand von 50, 100 und 150 Metern vom Brandort hatten die Forscher Bleche montiert, auf dem sich der Ruß absetzte.
Projektleiter Mellert kann in thermischer Hinsicht Entwarnung geben: Ein brennendes Elektroauto ist nicht gefährlicher als ein brennendes Auto mit konventionellem Antrieb. »Die Schadstoffemissionen eines Fahrzeugbrands waren schon immer gefährlich und unter Umständen tödlich«, heißt es im Abschlussbericht. Völlig unabhängig von der Antriebsform oder dem Energiespeicher müsse es oberstes Ziel sein, dass sich alle Personen möglichst schnell aus der Gefahrenzone begeben. Speziell die stark ätzende, toxische Flusssäure wird oft als besondere Gefahr bei brennenden Batterien diskutiert. In den drei Versuchen im Tunnel Hagerbach blieben die Konzentrationen jedoch unter dem kritischen Bereich.
Eine Tunnellüftung, die auf aktuellem Stand der Technik ist, kommt nicht nur mit brennenden Benzinautos, sondern auch mit Elektroautos zurecht. Erhöhte Korrosionsschäden an der Lüftungsanlage oder der Tunneleinrichtung sind aufgrund der Resultate ebenfalls nicht zu erwarten.
Auch die Feuerwehr muss auf Grund der Versuche nichts neu lernen. Feuerwehrleute wissen, dass die Batterie eines Elektroautos nicht zu löschen ist und nur mit grossen Mengen Wasser gekühlt werden kann. So kann das Feuer möglicherweise auf einige Batteriezellen beschränkt bleiben, ein Teil der Batterie brennt dann nicht aus. Freilich muss ein solches, teilweise ausgebranntes Wrack in einem Wasserbecken oder einem Spezialcontainer aufbewahrt werden, damit es sich nicht neu entzünden kann. Doch das ist den Spezialisten bereits bekannt und wird auch schon geübt.
Das Löschwasser ist giftig
Ein Problem stellt dagegen das Lösch- und Kühlwasser dar, das beim Bekämpfen eines solchen Brandes und beim Lagern einer ausgebrannten Batterie im Wasserbad anfällt. Die Analysen ergaben, dass die chemische Belastung des Löschwassers die Schweizer Grenzwerte für Industrieabwässer um das 70-fache übersteigt, das Kühlwasser liegt sogar bis zu 100-fach über dem Grenzwert. Es ist wichtig, dass dieses hochbelastete Wasser nicht ohne fachgerechte Vorbehandlung in die Kanalisation läuft.
Dekontamination notwendig
Nach den Versuchen wurde der Raum von professionellen Brandsanierern dekontaminiert. Anschließend entnommene Proben haben bestätigt, dass die Methoden und der Zeitaufwand auch für die Sanierung nach dem Brand eines Elektroautos ausreichen. Doch Mellert warnt vor allem private Besitzer von Tiefgaragen: »Versuchen Sie nicht, Ruß und Dreck selbst aufzuwischen. Im Ruß sind große Mengen von Kobaltoxid, Nickeloxid und Manganoxid enthalten. Diese Schwermetalle lösen auf ungeschützter Haut starke allergische Reaktionen aus.« Brandsanierung nach einem Elektroautobrand ist also auf jeden Fall ein Job für Profis im Schutzanzug.