Digitales Qualitätsmanagement mit Data Analytics
Maschinenintegrierte Sensoren sind in der Industrie verbreitet. Sie erzeugen exponenziell wachsende Datenmengen. Qualitätsmanager können diese Daten analysieren und zur Steigerung der Qualität von Prozessen und Produkten nutzen. Je nach Anwendungsfall bedingt dies nicht nur einen hohen Reifegrad der Technologien und Methoden, sondern auch die richtige Fragestellung, um die gewünschten Informationen zu erhalten. Das Business Forum Qualität (BFQ) hat in Aachen Best-Practice-Beispiele der Datenanalyse sowie neue Lösungsansätze für das digitale Qualitätsmanagement vorgestellt.
PRAXIS – Qualitätsmanagement
Das Qualitätsmanagement leistet einen wesentlichen Beitrag, um den vielseitigen Herausforderungen einer modernen Produktion zu begegnen. Oberstes Ziel ist es, die Kundenbedürfnisse nach einer hohen Produktqualität bei gleichzeitig stabilen, effizienten Produktionsprozessen zu erfüllen.
Die vier Reifegrade der Datenanalyse
In allen Phasen des Produktlebenszyklus stehen Daten zur Verfügung, die mit Hilfe von Data-Analytics-Methoden genutzt werden können, um dieses Qualitätsziel zu erreichen. Die Methoden lassen sich in die vier Stufen Descriptive Analytics, Diagnostic Analytics, Predictive Analytics und Prescriptive Analytics unterteilen.
Für die Analyse werden statistische Methoden genutzt, um kausale Zusammenhänge offen zu legen. Sie bieten von Stufe zu Stufe höherwertigen Informationsgehalt. Damit gehen vermehrt Möglichkeiten zur Verbesserung von Prozess- und Produktqualität einher. Im Umkehrschluss ist auch zunehmend Know-how erforderlich, um die Analysen durchzuführen.
In der Industrie sind Descriptive und Diagnostic Analytics bereits verbreitet. Großes Potenzial im Qualitätsmanagement versprechen die technisch komplexen Stufen Predictive und Prescriptive Analytics.
Beispielanwendungen sind die akustische Betriebsüberwachung von Wasserkraftanlagen, die Nutzung eines globalen CAQ-Systems und die automatische Erkennung von Feedback in sozialen Medien. Dies spiegelt auch das Aachener Verständnis zum Einsatz von Data Analytics im Produktionsumfeld wider: Alle Produktlebenszyklusphasen bieten großes Potenzial für innovative Analysen mit neuen Informationen.
Data Analytics im Produktionsumfeld
Die Erkenntnisse des BFQ verdeutlichen das Potenzial vor allem für die Bereiche Process Insights, Process Efficiency sowie Customer Insights. Mittels Data-Analytics-Methoden ist es beispielsweise möglich, komplexe Prozesse zu simulieren, zu optimieren und zu visualisieren. Damit erhalten Mitarbeiter neue Einblicke in Produktionsprozesse.
Durch die FEM-basierende Simulation des Prozessablaufs lassen sich unterschiedliche Einstellungen für Maschinenparameter miteinander vergleichen, um ein Verständnis über die Abhängigkeiten zu gewinnen. Diese sind essenziell, um höhere Produktqualitäten, geringere Werkzeugverschleiße sowie eine grundlegende Reproduzierbarkeit zu erreichen. Der Abgleich von Simulation und realem Prozess liefert weitere Erkenntnisse, die zu einer weiteren Effektivitätssteigerung befähigen. Damit wird durch das Hilfsmittel Data Analytics ein höheres Qualitätsniveau erreicht.
Data Analytics bietet ebenfalls für die Prozesseffizienzsteigerung Potenzial. Dies kann durch eine standortübergreifende Verknüpfung von durchgängigen, risikoorientierten Prüfplänen und Messdatenerfassungen im CAQ-System erfolgen. Mit diesem Ansatz unterstützt Data Analytics das Qualitätsmanagement durch aufeinander abgestimmte Qualitätsprozesse und reduziert nachhaltig Ausschuss- und Nacharbeitskosten.
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit für Data Analytics ist die Aufnahme von Kundenwünschen durch die Erweiterung klassischer Kundenbefragungen aus Produktreklamation um Kundenfeedback aus sozialen Medien. Dort stehen große Datenmengen mit Informationen über Kunden und Produkten frei zur Verfügung, da diese online Produkte durch Meinungsäußerung bewerten und damit Anforderungen formulieren.
Diese können automatisiert ausgelesen und analysiert werden, so dass mmit wenig Aufwand Kundenanforderungen für Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Diese andere Art der Informationsgewinnung wirkt sich auch positiv auf die Produktqualität aus, da sehr zeitnah auf bisher nicht identifizierte Fehler und Kundenanforderungen reagiert werden kann.
Hürden in der Anwendung
Qualitätsmanager müssen drei wesentliche Hürden überwinden, um Data Analytics im Unternehmen erfolgreich anzuwenden: technische, methodische und mitarbeiterbezogene. Der Standardprozess CRISP-DM (Cross-Industry Standard Process for Data Mining) stellt für jede Phase andere Anforderungen an die drei Bereiche.
Technische Hürden sind die Datenübertragung und Bereitstellung strukturierter, synchronisierter Daten. Derzeit wird am Fraunhofer IPT ein 5G-Netzwerk zur Datenübermittlung erprobt und die vBox zur Datensynchronisierung bereitgestellt. Methodisch müssen insbesondere die präskriptive wie auch die prädiktive Analyse intensiv in der Forschung erarbeitet werden. Erste methodische Ansätze werden im realen Produktionsumfeld validiert, um die Überführung der Methoden von der Forschung in die Industrie zu beschleunigen. Mitarbeiter benötigen neben fundierten technischen Kenntnissen auch Wissen zu maschinellem Lernen oder künstlicher Intelligenz. Denn nur durch den Einsatz der richtigen Algorithmen auf die jeweilige Fragestellung können gute Ergebnisse erzielt werden.
Das 21. Business Forum Qualität hat gezeigt, dass vor allem die Data Analytics-Phasen Predictive und Prescriptive Analytics zukünftig neue Erkenntnisse schaffen. Insbesondere eignet sich Data Analytics als Hilfsmittel zur Erreichung von Qualitätszielen, indem Einblicke in Produktionsprozesse, Potenziale zur Prozesseffizienz und innovative Kundenfeedbackanalysen geschaffen werden. Neben technischen Hürden müssen Qualitätsmanager methodische Kenntnisse entwickeln und bewusst anwenden. Das 22. Business Forum Qualität zielt auf das übergeordnete Thema Digitaler Zwilling, worin Data Analytics methodisch verankert ist.
Autoren:
Timo Heutmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Aachen
Marie Lindemann, Mitarbeiterin des Lehrstuhls für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen
Prof. Dr.-Ing. Robert Schmitt, Inhaber des Lehrstuhls für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement an der RWTH Aachen